Impuls von Esther Lieberknecht
Gott wird ein Kind
Gott kommt in unsere Welt.
Er kommt herunter auf Augenhöhe.
Er begibt sich zu uns, auf unsere Ebene.
Er sucht unsere Nähe auf.
Im Kind von Bethlehem wird er einer von uns.
Er teilt unser menschliches Leben von der Geburt bis zum Tod.
Er durchlebt Höhen und Tiefen wie wir.
Er kennt Freude und Leid wie wir.
Gott wird ein Kind
Wir vergessen allzu leicht die Tragik, die uns im Weihnachtsevangelium überliefert wird.
Wir übersehen die harte Wirklichkeit der verschlossenen Türen und Herzen.
Wir übersehen die lieblose Ungastlichkeit des Stalles.
Wir übersehen den Hass des Herodes, und
wir übersehen die Angst von Maria und Joseph, die Hals über Kopf fliehen müssen, und Asyl suchen in einem fremden Land.
Haben wir die verängstigten Hirten nicht zu harmlosen, idyllischen Schäfern gemacht, diese rauen Gesellen und armen Schlucker, die kein Ansehen hatten und keine Rechte besaßen?
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Übersehen wir nicht vor lauer Glitzersternen, Lichterketten, Weihnachtsmärkten, und all dem Tingeltangel in der Vorweihnachtszeit die Härte und Dramatik, die dem Weihnachtsgeschehen anhaftet?
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Spüren wir vor lauter Watte und Lametta eigentlich noch etwas vom harten Holz der Futterkrippe?
Gott in einem Futtertrog!
Der Herr des Alls ein Wickelkind!
Der Schöpfer der Welt ein kleines winziges Stück Leben, schreiend, hilflos, angewiesen!
Ist das zu fassen?
Der Herr der Welt – ein Kind!
Der große Gott – ein sterblicher Mensch!
Muss es uns da nicht die Sprache verschlagen?
Bleibt einem da nicht der Atem stocken?
Gott steigt herab in die Tiefe unseres menschlichen Daseins,
in die Armut, wie sie radikaler nicht gedacht werden kann.
Seht die Krippe! Seht das Kind! Seht das Kreuz!
Seht, wie tief der Höchste sich beugt.
Seht, wie nah Gott uns kommt!
Warum tut Gott das?
Warum nimmt er unser menschliches und zerbrechliches Leben an?
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Warum entäußert er sich seiner Allmacht, wird niedrig und gering?
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Warum kommt er aus der unendlichen Fülle, aus dem Reichtum seiner Herrlichkeit und begibt sich auf unsere Ebene?
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Warum tritt er aus seinem Licht und Glanz und wird ganz arm und ganz klein?
Gott wird ein Kind.
Allmacht wird Ohnmacht,
der Allerhöchste wird zum Allernächsten!
Warum?
Der Evangelist Johannes gibt uns die Antwort: Aus Liebe!