Leben 2.0
Eine erschütternde Diagnose stellte mein Leben auf den Kopf. Sollte ich wirklich so schwer krank sein? Von jetzt auf gleich aus dem normalen Leben gerissen zu sein, fühlte sich extrem unsicher an. Plötzlich bestimmten Arzttermine, Krankenhausaufenthalte und Operationstermin mein Leben und das meiner Familie.
Mit der Diagnose: „Weichteiltumor“ wusste ich erst einmal nichts anzufangen. War ich doch bisher gesund und hatte bis vor kurzem keine Beschwerden. Die Frage des Arztes nach einer Patientenverfügung war ein Schock. Sollte ich so schwer krank sein, dass ich zwischen Leben und Tod schwebte? Die Aufklärung des Arztes machte dann deutlich, was alles möglich sein könnte und operiert werden müsste. Magen, Milz, Bauchspeicheldrüse und Darm könnten von diesem Tumor befallen sein. Das ganze Ausmaß würden die Ärzte erst bei der Operation feststellen können. Ich solle auf alles gefasst sein. Die Ewigkeit rückte näher. Erst wenn das Leben vom Tod bedroht ist, spüren wir, dass beides sehr nahe beieinander liegen.
Auf alles vorbereitet
Bis zur Operation hatte ich noch zehn Tage, die ich zu Hause verbringen konnte. Ich wusste genau, was zu tun war: mich von meiner Familie verabschieden. Von meinen Kindern und ihren Familien verabschiedete ich mich persönlich. Sollte ich die Operation nicht überleben, habe ich an jedes Kind einen Abschiedsbrief geschrieben. Auch für meine Freunde habe ich einen Abschiedsbrief verfasst. Mit meinem Mann besprach ich gemeinsam die Beerdigung.
Wir feierten miteinander das Abendmahl. Das waren bewegende Momente, in denen Gott ganz nahe war. Eine wichtige Frage stellte sich mir: Ist noch irgendetwas offen, was zu klären, zu bereinigen oder zu vergeben ist? Bin ich mit jedem versöhnt und im Frieden? Ist alles gesagt? Im Frieden mit mir, mit den Menschen und mit meinem Gott ging ich in den Operationssaal. Was auch geschehen würde, ich war in Gottes Hand.
Ich lebe!
Der erste Gedanke auf der Intensivstation war: Ich habe die sechsstündige Operation überlebt. Zu mehr Gedanken war ich nicht fähig. Eine ungekannte Schwäche erfasste meinen Körper. Wo war meine ganze Kraft geblieben? Ich war nicht mehr fähig zu beten. „Jesus“ war alles, was ich innerlich sagen konnte. Da war keine Kraft für ein Bibelwort oder sonst einen guten Gedanken. Alles war wie in Nebel getaucht, doch ich wusste, jetzt beten andere für mich. „Sie tragen dich jetzt zu Jesus. Deine Freunde haben es übernommen für dich bei Jesus einzutreten“, dachte ich. Nur Jesus kann mich heilen und die Operation in ein Wunder verwandeln. Es war wirklich so, wie es der Arzt befürchtet hatte: Magen Milz, Bauchspeicheldrüse und Darm waren betroffen.
Am zweiten Tag nach der Operation kam es zu einer Krisensituation. Ich hatte den Gedanken, dass es sich so anfühlen muss, wenn man stirbt. Ich wartete darauf, dass sich Jesus zeigen würde. Doch er zeigte sich noch nicht. Der Himmel öffnete sich noch nicht für mich. Gleichzeitig hatte ich das Gefühl, eine Person steht neben mir an meinem Bett. Zwei andere Personen standen weiter weg. Im Nachhinein weiß ich, dass es Jesus und seine Engel waren, die an meinem Bett standen. Doch nun hieß es weiterkämpfen für das Leben, das ich geschenkt bekommen hatte.
Immer wieder gab es Komplikationen, Blutwerte stimmten nicht, die Entzündungswerte waren zu hoch und mussten mit Antibiotika behandelt werden. Die Wunde heilte nicht so, wie sie sollte und ich brauchte ein Gerät, das die Wundflüssigkeit absaugte. Das Essen stellte sich als sehr große Herausforderung dar. Mein Körper musste erst lernen, mit den neuen Gegebenheiten zurecht zu kommen, das dauerte zwei Monate.
Eine Frage drängte sich mir in dieser Zeit auf: Herr, warum mutest du mir das alles zu? Es wäre doch viel einfacher gewesen, mich sterben zu lassen.
Was hast DU mit mir vor?
Tag 15
Tag 15 nach der Operation war sehr bewegend für mich. Mein Mann und ich waren in der Krankenhauskapelle. Die Sonne strahlte in die buntverglasten Fenster und durchflutete den Raum.
Eine große Dankbarkeit erfasste mich. Das, was ich bis jetzt nur schwach denken konnte, kam in meinen Gefühlen an: „Esther, du darfst Leben“. Gott, mein Vater, hat mir ein zweites Leben geschenkt. Ich konnte vor großer Dankbarkeit meine Tränen fließen lassen. Nach vier Wochen Krankenhausaufenthalt durfte ich nach Hause. Meine Schritte waren noch unsicher, die Kraft war noch gering.
Bild im Wohnzimmer
Zu Hause begann nun die Zeit der langsamen Erholung. Vom Sofa aus betrachtete ich immer wieder ein Bild mit einem Kreuz. Plötzlich spricht dieses Bild zu mir. Jesus zeigte mir: „Ich habe deine Krankheit hinaufgetragen ans Kreuz. Ich habe sie getragen, du musst sie nicht länger tragen.“ Sie ist getragen und besiegt durch die Auferstehung. Jesaja 53,4: Dabei war es unsere Krankheit, die er auf sich nahm; er litt die Schmerzen, die wir hätten ertragen müssen.
Dieses Bild gab mir neue Kraft. Ich bin getragen durch Jesus.
Lektionen des Vertrauens
Die Zeit war gekommen, wo ich zu einer CT ins Krankenhaus musste. Ich fühlte mich nicht gut, war noch eher schwach und unsicher. Wie sollte ich das so kraftlos durchstehen? Mit Zittern und Zagen machte ich mich auf den Weg. Bevor ich das Krankenhaus betrat, dachte ich: „Herr, ich gehe jetzt jeden Schritt in deiner Kraft. Es ist nicht mehr meine Kraft: Ich gehe in deiner Kraft!“ Ich erlebe, wie Jesus mir in diesem Moment neue Kraft schenkt.
Bei der CT muss ich eine Stunde ruhig liegen ohne Handy oder Lesegerät. Ich bete, dass Jesus mit mir redet. In mir steigt ein Bild auf: Ich sitze mit Jesus auf einer Bank in einer Blumenwiese mit Mohnblumen. Jesus neigt sich zu mir und redet mit mir: „Weißt du, du fragst dich vielleicht, warum du das alles erlebst. Es gibt verschiedene Stufen des Vertrauens zu mir:
Als Kind hattest du dein kindliches Vertrauen zu mir. In dieser Zeit hast du mir blind vertraut. Dann kam mehr dein Verstand ins Spiel und es gab manche Zweifel zu besiegen. In dieser Zeit warst du auf der Treppe des zweifelnden Vertrauens. Du warst hin und hergerissen, doch du bist die Stufe des Vertrauens weiter gegangen und hast erlebt, wie ich dir in verschiedensten Lebenssituationen geholfen habe. Dein Vertrauen zu mir ist gewachsen. Du bist zu mir hingewachsen. Dein Vertrauen zu mir ist mehr und mehr zu einem sicheren Zutrauen geworden. Nun warst du in einer ausgesprochen ausweglosen Situation. Ich habe sie zugelassen. Ich weiß, du warst zwischen Leben und Tod. Ich habe es zugelassen. Ich habe dir diese Situation zugemutet, damit du im Vertrauen zu mir wachsen kannst. Du sollst das Sturm-Vertrauen zu mir kennen lernen. In den Stürmen des Lebens bin ich da und reiche dir meine Hand. Die Treppe des Vertrauens führt übrigens nicht in die Tiefe, sondern nach oben zu mir in meine Herrlichkeit. Du sollst mich noch tiefer kennen lernen.“
Nach dieser Lektion kann ich sagen: Mein Vertrauen zu Jesus wurde gestärkt.
Nun gilt es Schritte in meinem neu geschenkten Leben zu gehen, weiterhin in einem festen Vertrauen, dass Gottes Wege gut sind, selbst wenn sie uns manchmal nicht gefallen.
Eure Esther Lieberknecht